Freitag, 30. September 2011

Geburt einer Idee: EU Zweit-Parlament nur mit 17 Mitgliedern der EURO-Zone oder: Nach dem EFSF nun der ESM

Es herrscht eine totale Verwirrung darüber, was zu tun ist, um Europa zu retten. Es gibt die Pessimisten, die so schnell wie möglich so oder so den EURO beenden wollen, und zwar viele Professoren der Volkswirtschaft und die öffentliche Meinung. Und es gibt die Optimisten, die wie Schaeuble bzw. Von der Leyen (CDU) und Steinbrueck bzw Gabriel (SPD) sowie Oezdemir (Grüne), die an eine Veränderung der EU-Verträge glauben. Es herrscht wohl Einigkeit darüber, dass Fehler bei der Entstehung des EURO gemacht worden sind.

Bundesbank-Präsident Weidmann spricht von einem grossen Sprung in eine Fiskalunion mit einer grundlegenden Verlagerung der Verantwortung weg von nationalen Parlamenten hin zu europäischen Gremien. Was ist die Kontrollinstanz? Und was ist mit den 10 nicht zur EURO-Zone gehörigen Staaten? Sollen diese mit kontrollieren über das europäische Parlament?

Peter Bofinger sagt, dass anstelle der Marktdisziplin eine demokratisch legitimierte Institution treten soll. Aber die gibt es noch nicht. Das jetztige europäische Parlament wurde in 27 Staaten auf Grund einer diffusen degressiven Proportionalität gewaehlt und hat nur minimale Befugnisse. Die EURO-Zone umfasst nur 17 Staaten. Die Wurzel des Problems liegt darin, dass auch die Einführung des EURO noch nicht zur Politischen Union geführt hat.

Jetzt ist der EFSF durch fast alle europäischen Parlamente verabschiedet. Als nächstes kommt der ESM, der besser bei Stabilitätssündern durchgreifen kann. Aber ungeklärt ist das demokratische Defizit: Soll die europäische Kommission mit Präsident Barroso, die 27 Staaten vertritt, mehr Macht bekommen?

Es besteht eine 50:50 Chance für die 17 EURO-Mitgliederstaaten, es noch zu schaffen. Aber eines ist sicher: Die 10 EU-Mitgliederstaaten, die dem EURO nicht beigetreten sind oder später die Bedingungen nicht erfüllten, können jetzt nicht mitentscheiden. Ein Finanzminister oder eine Regierung, die vom Europäischen Parlament kontrolliert werden soll, das mehr als ein Drittel (10) NichtEurostaaten vertritt, das geht nicht. Das wäre der letzte Kardinalfehler des EURO. Dann würden EURO-Bonds und eine Transferunion den Untergang der EU bedeuten.

Jetzt muss die EURO-Zone gemeinsam Nägel mit Köpfen machen: eine politische Schicksalsgemeinschaft ohne Wenn und Aber. Daher muss als erstes das demokratische Defizit der EU behoben werden und zwar durch ein Zweitparlament für die 17 EURO-Zone-Mitgliedsstaaten. Die Vernunft würde sagen, nicht noch einmal so eine Europa-Bürokratie und nicht noch einmal das Wahlrecht der fallenden Verhältniswahl oder degressiven Proportionalität einzuführen. Lassen wir uns von Australien inspirieren, das in vielem mit Europa verglichen werden kann. Die 17 EURO-Staaten sollten das australische Persönlichkeitswahlrecht übernehmen: eine Mehrheitswahl in 999 Einerwahlkreisen.

Es ist wohl das vernünftigste Wahlsystem: Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen mit einer Primärstimme und einer Präferenzstimme in einem Aufwaschen. Jeder europäische Wähler hat mit seiner Stimme das gleiche Gewicht. Kein Kandidat gewinnt bei relativer Mehrheit in einem Wahlkreis, sondern der Kandidat mit absoluter Mehrheit, sei es sofort mit den Primärstimmen oder danach im "instant runoff" bei Primärstimmen plus Vorzugsstimmen, falls die Primärstimmen unter 50% liegen. Es ist vergleichbar mit der französischen absoluten Mehrheitswahl, aber mit nur einem Wahlgang. Der französische „runoff“ zu einem späteren Zeitpunkt wird durch einen „instant runoff“, durch die schon abgegebene Präferenzstimme, ersetzt. Dieses System ist einfacher als die französische absolute Mehrheitswahl, wo zwei Wahlgänge voneinander getrennt abgehalten werden müssen. Beiden Systemen ist eigen, dass jeder Wähler auf gleicher Weise mit bestimmt, wer der Sieger ist. Der französische „runoff“ zu einem späteren Zeitpunkt wird durch einen „instant runoff“, durch die schon abgegebene Präferenzstimme, ersetzt. Die Mehrheit gewinnt, wie es die Griechen vor 2500 Jahren noch unvollständig erfunden haben. Demokratie ist Macht auf Zeit.

Kann man das australische System noch verbessern? Man kann: siehe http://www.2009-de.com Erstens z.B. durch amerikanische Vorwahlen zur Kandidatenaufstellung, um den Klüngel von Parteien zu begrenzen und mehr Wähler an der Kandidatenaufstellung zu beteiligen. Zweitens z.B. durch den „Dreipersonenwahlkreis“, um regionale Hochburgen abzubauen, die Chance zum Machtwechsel zu erhöhen und mittelfristig bis zu 50% Frauen als Parlamentsmitglieder zu erreichen. Jede Partei oder Wählergruppe stellt zwei Persönlichkeiten in einem Dreipersonenwahlkreis auf: Mann und Frau ODER Frau und Mann je nach Entscheidung der Vorwahlen.

Dies wäre ein Parallel-Universum in Europa, aber besser als die jetzt bestehenden weit auseinander treibenden Galaxien. Wir alle lieben England, aber jetzt sollte es auch tatenlos zuschauen. Vielleicht passiert nach dem erfolgreichen Start des Zweitparlaments und zentraler Strukturen dasselbe wie bei der Bildung der EWG: Alle anderen stehen Schlange und wollen mitmachen. Irgendwie schätzt schon die ganze Welt den EURO, nur treibt er wie ein steuerlos gewordenes Boot im Sturm. Man darf bei allem Pessimismus nicht vergessen, dass der EURO als zweitstärkste Währung 26% der Weltwährungsreserven (die USA haben mit dem US$ 60%) darstellt, vergessen wir die BRIC-Staaten, Japan und das stolze englische Pfund.
Jetzt dürfen wir uns nicht noch einen Fehler beim EURO leisten. In einer späteren Phase könnte dann das jetzige Europa-Parlament eine Senatsfunktion übernehmen. Dann hätten wir das erforderliche Zweikammersystem.